Zukunftsfähige Landwirtschaft: Mehr Raum für Natur


Wie Artenvielfalt in der Agrarlandschaft gefördert werden kann, diskutierten Dirk Steffens, Jochen Hartmann, Prof. Dr. Josef Settele und Dr. Carin-Martina Tröltzsch
Bild: Umweltstiftung Michael Otto/Sven Stöbener
Hamburg/Berlin, 7.6.2019
6. Zukunfts Dialog Agrar & Ernährung
„Biodiversität, Boden, Klima sind Themen, die ineinander greifen und nicht voneinander getrennt betrachtet werden können. Das sind die Grundlagen für unsere gesunden Lebensmittel,“ sagt Landwirt Jochen Hartmann. Als einer von zehn Landwirten aus dem F.R.A.N.Z.-Projekt setzt er auf praxistaugliche und wirtschaftlich tragfähige Naturschutzmaßnahmen.

Warum wir einen anderen Blick auf die Landwirtschaft brauchen, darüber diskutierten Landwirte, Wissenschaftler sowie Entscheider aus Politik und Wirtschaft auf dem 6. Zukunfts Dialog Agrar & Ernährung in Berlin. Umweltministerin Svenja Schulze verdeutlichte, dass Landwirte für den Schutz der Biodiversität eine zentrale Rolle einnehmen. Sie forderte praktikable Lösungen zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und machte klar, dass die Landwirtschaft ohne Insekten und Bestäuber vor grundsätzliche Probleme gestellt wird. Laut Schulze muss der Pestizid- und Düngeeinsatz umfassend reduziert werden. Mit einer Mischung aus Ordnungsrecht und den richtigen Anreizen für Landwirte möchte sie dafür sorgen, dass unsere Äcker wieder einladender werden für Insekten und Vögel. Ein solcher Anreiz ist beispielsweise die Verbesserung der Finanzierung von Agrarumweltleistungen, die auch im Aktionsprogramm Insektenschutz  aufgenommen wurde. Mit dem Programm möchte die Bundesregierung die Lebensbedingungen für Insekten und die biologische Vielfalt in Deutschland verbessern, um dem Insektensterben entgegenzuwirken. Das Aktionsprogramm liegt den anderen Ministerien bereits zur Abstimmung vor. Eine politische Steuerung, die den Landwirten mehr Flexibilität bei der Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen gibt, und die nicht gleich mit dem Zentimetermaß sowie dem Aussaatkalendar um die Ecke kommt, wäre ein weiterer Anreiz für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.

Naturschutz und Landwirtschaft miteinander praktizieren

Wie kann eine Landwirtschaft gestaltet sein, die mit der Natur im Einklang steht? Der Betrieb von Jochen Hartmann zeigt, dass Landwirtschaft und Naturschutz kein Widerspruch sein müssen. Gemeinsam mit Wissenschaftlern und einem Betriebsberater setzt er im Rahmen des Projektes F.R.A.N.Z. verschiedene Naturschutzmaßnahmen auf seinen Feldern um. „Biodiversität ist extrem komplex. Das wird gerade bei uns ein eigener Betriebszweig. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit der Forschung an der Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen, wie z. B. beim Extensivgetreide mit blühender Untersaat. Bei dieser Maßnahme wird nicht gedüngt und kein Pflanzenschutzmittel verwendet. Das macht man schon aus eigenem Interesse. Als ich bei meinen Rüben einen Marienkäfer entdeckt habe, war mir klar, dass ich auf das Spritzen verzichten muss“, erläuterte Jochen Hartmann den Teilnehmern des 6. Zukunfts Dialog Agrar & Ernährung. Sommergetreide mit blühender Untersaat, Feldvogelinsel und mehrjährige Blühstreifen sind nur einige seiner Maßnahmen, die er auf seinem rund 200 ha großen Ackerbaubetrieb in der nördlichen Lüneburger Heide anwendet. Im Rahmen des F.R.A.N.Z.-Projektes fördert Hartmann auf knapp zehn Prozent seiner Fläche die Lebensgrundlagen für Insekten und Feldvögel. Doch was kosten ihn diese Naturschutzleistungen? Laut Hartmann sind beispielsweise die Kosten pro Einheit Kartoffeln gering: „Wir haben 30 Hektar Kartoffeln. Wenn alle Kartoffeln bei Edeka verkauft werden, kostet F.R.A.N.Z.-Biodiversität nur 3,9 Cent pro Kilogramm Kartoffeln.“ Auch der sparsamere Umgang mit Pflanzenschutzmitteln senkt die Kosten. Denn Pflanzenschutzmittel vernichten bekanntlich nicht nur Schädlinge, sondern auch Nützlinge. Damit sein Beispiel Schule macht verdeutlicht er: „Wir müssen als Landwirte die Nützlinge fördern. Wir müssen Biodiversität in die Fläche bringen und gezielt abwägen, was wir überhaupt noch an Pflanzenschutzmitteln brauchen.“ Voraussetzungen für mehr Artenvielfalt in der Agrarlandschaft sind eine enge Zusammenarbeit zwischen naturschutzfachlicher Forschung und Landwirtschaft, eine finanzielle Förderung für die angelegten Naturschutzmaßnahmen sowie mehr Flexibilität bei der Umsetzung der Maßnahmen. Nur so können Planungssicherheit gewährleistet und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe nicht beeinträchtigt werden.

Hartmann’s Beispiel zeigt, dass Landwirtschaft und Naturschutz nur gemeinsam im Dialog vorangebracht werden können. Deshalb ist eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure aus Landwirtschaft, Wissenschaft und Politik notwendig, um die erfolgreich erprobten Naturschutzmaßnahmen zukünftig auch in entsprechenden Förderprogrammen zu verankern. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch viele andere Landwirte diese Maßnahmen auf ihren Betrieben umsetzen.