Naturschutz und Landwirtschaft: Der gemeinsame Weg für mehr Artenvielfalt in der Agrarlandschaft


Wie landwirtschaftliche Betriebe zur Biodiversität in der Landwirtschaft beitragen können, diskutierten die Teilnehmer im Rahmen des F.R.A.N.Z.-Workshops
Waldemar Grosch / BUND BW
Radolfzell, 15.1.2020
F.R.A.N.Z. auf Naturschutztagen 2020
"Die Landwirtschaft bewirtschaftet Flächen, die auch für die Natur wichtig sind. Deshalb kann es nur gemeinsam in einem Dialog auf Augenhöhe mit dem Naturschutz gelingen, nachhaltig die Basis für eine lebenswerte Zukunft, in der Mensch und Natur im Einklang leben, zu legen“, sagt Landwirt Jürgen Maurer am Rande der 44. Naturschutztage am Bodensee. Als einer von zehn Landwirten aus dem F.R.A.N.Z.-Projekt ist für Maurer besonders wichtig, dass Natur- und Umweltschutz gemeinsam mit der Landwirtschaft Lösungen finden, um die Artenvielfalt zu fördern. Laut Maurer muss der Landwirt bei der Entwicklung und Umsetzung der Naturschutzmaßnahmen Mitgestaltungsmöglichkeiten haben.

Mehr als achtzig Teilnehmer, darunter Landwirte sowie haupt- und ehrenamtliche Vertreter aus den Naturschutzverbänden haben am 4. Januar 2020 im Rahmen des Workshops „F.R.A.N.Z. – Gemeinsam für mehr Vielfalt in der Agrarlandschaft: Umsetzung biodiversitätsfördernder Maßnahmen in der intensiven Landwirtschaft“ über eine Landwirtschaft diskutiert, die mit der Natur im Einklang steht. Wie können landwirtschaftliche Betriebe zur Biodiversität in der Landwirtschaft beitragen? Welche Maßnahmen sind erfolgreich im Sinne der Biodiversität und gleichzeitig auch für landwirtschaftliche Betriebe wirtschaftlich tragfähig umsetzbar? Und wie lassen sich scheinbar konträre Anliegen nach stärkeren Naturschutzauflagen mit einem für die Landwirte einträglichen und planungssicheren Handeln vereinbaren? Sibylle Duncker, Projektleitung F.R.A.N.Z. Umweltstiftung Michael Otto, Dr. Laura Sutcliffe, Wissenschaftlerin Universität Göttingen, und F.R.A.N.Z.-Landwirt Jürgen Maurer aus Kupferzell gaben Antworten auf diese Fragen. Sibylle Duncker betonte, dass ein gemeinsamer Weg von Landwirtschaft und Naturschutz elementar sei, um Nützlinge, Bestäuber und somit auch die landwirtschaftliche Leistung zu fördern. Denn auch die Landwirtschaft sei auf eine intakte Natur angewiesen.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die praktischen Erfahrungen aus den umgesetzten Maßnahmen, die bisherigen Erkenntnisse und die gute Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz. Landwirt Jürgen Maurer präsentierte den Teilnehmern Naturschutzmaßnahmen, wie z. B. einen mehrjährigen Blühstreifen, ein blühendes Vorgewende sowie Extensivgetreide, die er auf seinem rund 180 Hektar großen Ackerbaubetrieb in Kupferzell anlegt. „Wir versuchen, mehr Biodiversität, mehr Artenvielfalt, in unseren konventionellen landwirtschaftlichen Betrieb zu integrieren, indem wir Extensivgetreide anbauen, für Bestäuber Blühflächen oder Blühstreifen zur Verfügung stellen und sogenannte „Erbsenfenster“ mitten im Getreide für Feldlerchen und andere Feldvögel als Brutflächen anlegen.“ In Absprache mit dem Naturschutz und der naturschutzfachlichen Beratung setzt Maurer auf fünf Prozent seiner Betriebsfläche, insgesamt neun Hektar, vielfältige Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft um.

Wissenschaftlerin Laura Sutcliffe von der Universität Göttingen stellte erste Forschungsergebnisse aus den letzten drei Jahren F.R.A.N.Z. vor: „Die ersten Ergebnisse zeigen insbesondere bei Pflanzen, dass im Extensivgetreide mit und ohne Untersaat deutlich mehr Pflanzen auftreten als auf Vergleichsflächen im normalen Acker. Auch sind erste Zunahmen der Feldvogelarten auf sieben Betrieben zu beobachten.“ Sutcliffe betonte, dass ein Maßnahmenmix wichtig für die Steigerung der Artenvielfält auf den Flächen ist. Zudem ist es wichtig, dass eine überwinternde Vegetation bei Maßnahmen für Insekten gewährleistet wird. Um Randeffekte zu verringern sollten Blühstreifen breiter als zehn Meter sein.
 
Die Monitoring-Ergebnisse der letzten drei Jahre signalisieren, dass die umgesetzten Naturschutzmaßnahmen erste Wirkung zeigen. Sowohl Wildbienen als auch Schmetterlinge und andere Bestäuber profitieren von der langen Blütezeit der artenreichen Blühstreifen und dem blühenden Vorgewende. Auch seltene Hummelarten, wie die Waldhummel, Distelhummel und Veränderliche Hummel, wurden auf den Flächen gesichtet. Zudem fördern vor allem Maßnahmen wie das Extensivgetreide das Auftreten von Pflanzenarten mit einem hohen Naturwert. So konnten auf den Flächen von Landwirt Maurer wertvolle Arten, wie zum Beispiel die kleine Wolfsmilch, das Acker-Vergissmeinnicht und das spießblättrige Tännelkraut gefunden werden.

Der Workshop ermöglichte den Teilnehmern tiefe Einblicke in das F.R.A.N.Z.-Projekt. So sind eine begleitende Beratung für die Landwirte ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Auch die praktische Umsetzung von naturschutzfachlichen Maßnahmen sollte zukünftig in die landwirtschaftliche Ausbildung integriert werden. Die positiven Erkenntnisse aus dem F.R.A.N.Z.-Projekt zeigen, dass Landwirtschaft und Naturschutz nur gemeinsam im Dialog vorangebracht werden können. Eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure aus Landwirtschaft, Wissenschaft und Politik ist deshalb notwendig, um die erfolgreich erprobten Naturschutzmaßnahmen zukünftig auch in entsprechenden Förderprogrammen zu verankern. Nur so kann gewährleistet werden, dass auch viele andere Landwirte die Naturschutzmaßnahmen auf ihren Betrieben umsetzen.