Landschaftsökologische Modellierung im F.R.A.N.Z.-Projekt


Hamburg/Braunschweig, 19.05.2022
Einblicke

Wildbienen und weitere Insektengruppen, die im F.R.A.N.Z.-Projekt untersucht werden, sind sensible Indikatoren für den Zustand und die Belastung von Agrarökosystemen und deren Funktionsfähigkeit. Gleichzeitig übernehmen sie eine wichtige Funktion als Bestäuber. Um die Wirkung von Biodiversitätsmaßnahmen in der Agrarlandschaft auf Wildbienen (am Beispiel Hummeln) zu untersuchen, beschäftigt sich Franziska Baden-Böhm beim Thünen-Institut für Biodiversität im Rahmen des Projektes mit landschaftsökologischen Modellierungen. Die aktuelle Publikation, in der die Effekte von Blühstreifen auf Honigbienen untersucht wurden, dient als Vorstudie für ein Simulationsmodell zur Untersuchung der Wirkung von Biodiversitätsmaßnahmen auf Hummeln.

 

Ein Gespräch mit der Hauptautorin über die Ergebnisse der Studie und die Möglichkeiten landschaftsökologischer Modellierungen.

 

Von Svenja Ganteför


Frau Baden-Böhm, was war das Ziel Ihrer aktuell veröffentlichten Studie?

 

Baden-Böhm: Es ging darum, Landschaftsszenarien zu entwickeln, mit denen sich Aussagen über die Effekte von Biodiversitätsmaßnahmen in der Agrarlandschaft auf bestäubende Insekten treffen lassen. Konkret haben wir die Auswirkungen von Blühstreifen als zusätzliches Nahrungshabitat für Honigbienen untersucht, wobei uns die Wirkung der drei Parameter prozentualer Flächenanteil, räumliche Verteilung und Pflanzenzusammensetzung der Blühstreifen genauer interessierte. Dafür wurde eine Honigbienenkolonie in einem Landschaftsfenster (3 km x 3 km) um den F.R.A.N.Z.-Demonstrationsbetrieb im Havelland (Brandenburg) betrachtet.

Im F.R.A.N.Z.-Projekt steht die Gruppe der Wildbienen als eine von acht Organismengruppen im Fokus der wissenschaftlichen Untersuchungen. Weshalb war nun die Honigbiene Gegenstand Ihrer Studie?

Baden-Böhm: Meine Studie zur Landschaftsmodellierung mit der Honigbiene als Modellorganismus kann als Vorstudie für unsere Untersuchungen zu den Wildbienen (Hummeln) betrachtet werden. Zum Start des Projektes 2016 war das benötigte Simulationsmodel BumbleBEEHAVE und dem dazugehörigen Modell BEESCOUT 2.0 (Becher et al. 2018) für die Studien zu den Hummeln noch nicht veröffentlicht und verfügbar.

 

Die Honigbiene bietet sich als vergleichbarer Modellorganismus an, da sie die soziale staatenbildende Verhaltensweise mit den Hummeln gemein hat und beide Gruppen eine essenzielle Rolle in der Bestäubung spielen. Die in der Veröffentlichung angewandten agentenbasierten Simulationsmodelle BEEHAVE (Becher et al. 2014) und BEESCOUT (Becher et al. 2016) wurden von derselben Arbeitsgruppe entwickelt und bilden die Grundlage für das später entwickelte Simulationsmodell BumbleBEEHAVE, mit dem wir die Analysen für die Hummeln durchführen.


Welchen Vorteil bieten landschaftsökologische Modellierungen gegenüber experimentell durchgeführten Studien im Feld?

Baden-Böhm: Biodiversität wird von vielen Faktoren auf verschiedenen Ebenen beeinflusst. Nicht nur die lokale Lebensraumqualität, sondern auch die räumliche Anordnung und zeitliche Dynamik von Nutzungs- und Lebensraumtypen in der Landschaft haben eine wesentliche Bedeutung. Da die Umsetzbarkeit experimenteller Ansätze auf der Landschaftsebene begrenzt ist, birgt die Modellierung von diversen Landschaftsszenarien und damit die fiktive Ausgestaltung der Landschaft mit Maßnahmen, Nahrungs- und Nisthabitaten ein enormes Potential, um die Wirkung landschaftlicher Faktoren auf die Biodiversität in Agrarlandschaften abzuschätzen.

 

Die Nutzung von Simulationsmodellen ist eine wichtige Methode, um Trendentwicklungen für Zielorganismen, wie in unserem Fall die Honigbienen- und Hummelpopulationen, über einen längeren Zeitraum abzubilden.


Welche Szenarien haben Sie sich überlegt, um die Wirkung von Blühstreifen als Nahrungshabitat für Honigbienen zu untersuchen?

Baden-Böhm: Es wurden verschiedene Landschaftsszenarien entwickelt, in denen die Blühstreifen im prozentualen Anteil und in der Verteilung (gleichmäßig oder geklumpt) variierten. Außerdem wurden die Szenarien jeweils mit zwei verschiedenen Blühmischungen berechnet, um den Effekt unterschiedlicher Qualität der Pflanzenzusammensetzung bewerten zu können. Grundlage für die Blühmischungen waren die im F.R.A.N.Z.-Projekt verwendeten Blühmischungen. Mit der Zusammensetzung der Pflanzen verändert sich das Nahrungsangebot für die Bienen. So hat der Blühstreifen mit hoher Qualität ein höheres Nektar- und Pollenvorkommen und einen längeren Blühzeitraum. Diese beiden verschiedenen Blühstreifen-Szenarien wurden mit einer business-as-usual-Landschaft verglichen, wo nur die wechselnde Fruchtfolge und das veränderte Wetter Einfluss auf die Entwicklung der Honigbienen haben konnten. Der Beobachtungszeitraum war 12 Jahre.

 
Welche Ergebnisse haben die Simulationen ergeben? Sollten Blühstreifen besser geklumpt oder gleichmäßig verteilt in der Landschaft angelegt werden?

Baden-Böhm: Als Ergebnis der Studie stellte sich zum einen heraus, dass die Qualität des Blühstreifens, d. h. das Pollen- und Nektarangebot innerhalb des Blühstreifens mit einem langen Blühzeitraum, einen signifikanten Effekt auf die Honigbienenkolonie hat. Zum anderen hat der zunehmende Flächenanteil an Blühstreifen einen positiven Effekt, ebenso wie die räumliche Verteilung, wobei das vor allem auf die Blühstreifen mit hoher Qualität zutraf. So haben die gleich verteilten Blühstreifen mit hoher Qualität den größten positiven Effekt auf die Koloniegröße der Honigbienen.

Somit zeigt die Studie, dass bei der Anlage der Blühstreifen die Auswahl der Blühmischung sorgfältig zu treffen ist und Blühmischungen mit pollen- und nektarreichen Pflanzen, die zusätzlich einen langen Blühzeitraum abdecken, gewählt werden sollten. Des Weiteren führt schon ein geringer prozentualer Flächenanteil von Blühstreifen mit hoher Qualität, vor allem bei räumlich gleichmäßiger Verteilung, zu einem Anstieg der Honigbienenpopulation.


Wie sieht es bei den Wildbienen aus? Sie haben die Modellierung auch für Hummeln angewendet: Was waren Ihre Fragestellungen in der anknüpfenden (noch nicht veröffentlichten) Studie?

Baden-Böhm: In der zweiten Studie untersuchen wir zum einen, ob sich die oben beschriebenen Erkenntnisse auch für Hummelkolonien bestätigen und zum anderen, ob neben den Blühstreifen auch andere Biodiversitätsmaßnahmen sowohl als Nahrungs- als auch Nisthabitat einen positiven Effekt auf die Anzahl der Hummelkolonien haben. In unserem Fall wählten wir als Modellorganismus die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris), eine der am häufigsten vorkommende Hummelarten in Deutschland.

In drei ausgewählten F.R.A.N.Z.-Beispiellandschaften (je 1 km x 1 km mit Flächen der Demonstrationsbetriebe in Brandenburg, Niederbayern und Rheinhessen) wurden neben den Maßnahmen aus dem F.R.A.N.Z.-Projekt auch andere umgesetzte Biodiversitätsmaßnahmen in die Entwicklung der Landschaftsszenarien integriert und in die Analyse miteinbezogen. Die Auswahl der Landschaften erfolgte aufgrund ihrer unterschiedlichen Landschaftskonfiguration, um klein- und großräumige Landschaften zu repräsentieren.

 

Die Biodiversitätsmaßnahmen wurden in zweierlei Hinsicht untersucht und mit Landschaften ohne Maßnahmen (business-as-usual) verglichen. In einem Szenario nahmen wir an, dass die Biodiversitätsmaßnahmen nur als zusätzliches Nahrungshabitat in der Landschaft dienen, neben vorhandenen Massentrachten, wie z. B. Raps oder Obst, oder semi-natürlichen Habitaten. In einem weiteren Szenario nahmen wir an, dass die mehrjährig angelegten Maßnahmen zusätzlich auch als Nisthabitat für die Hummeln dienen.


Was konnten Sie bisher feststellen?

Baden-Böhm: Neu in dieser Analyse war die Einbeziehung weiterer Biodiversitätsmaßnahmen sowie die des Parameters „Nisthabitat“ und die Frage, ob zusätzlich geschaffene Nisthabitate durch Biodiversitätsmaßnahmen einen Einfluss auf die Populationsentwicklung der Hummeln haben. Diese sind für Wildbienen nämlich auch als Überwinterungshabitat von Bedeutung (im Gegensatz zu den domestizierten Honigbienen im Bienenstock). Neben den Biodiversitätsmaßnahmen sind semi-natürliche Habitate wie Hecken, Feldraine, Randstrukturen der Gräben und nicht befestigte Feldwege geeignete Nisthabitate für Hummeln. Sind viele solcher Strukturen und somit mehr Nisthabitate in der Landschaft vorhanden, finden Hummelköniginnen auch zunehmend Überwinterungsquartiere, wodurch die Neugründung von Kolonien gefördert wird. Die Biodiversitätsmaßnahmen und die genannten semi-natürlichen Habitate sind zudem wichtig, um nach beispielsweise den Massentrachten Raps oder Obst im Frühjahr, weitere entscheidende Pollen- und Nektarquellen zu bieten, die den Hummeln über den Sommer und das restliche Jahr zur Verfügung stehen und potentielle Nahrungslücken zu schließen.

 

Erste Ergebnisse zeigen, dass in allen drei Regionen die verschiedenen Nahrungsressourcen (Massentrachten, semi-natürliche Habitate und Biodiversitätsmaßnahmen) sowie zusätzliche Nisthabitate durch Biodiversitätsmaßnahmen einen signifikanten Effekt auf die Anzahl der Hummelkolonien haben, wobei dieser sich über den Beobachtungszeitraum von 8 Jahren pro Region unterschiedlich darstellt.


Können Sie eine Aussage dazu treffen, welche Mindestfläche an Nahrungsressourcen und Nisthabitaten für Wildbienen nötig ist, um einen Populationsanstieg zu erreichen?

Baden-Böhm: Bisher noch nicht, aber in einer zukünftigen Untersuchung wollen wir genauer herausfinden, wie Hummelpopulationen auf ansteigende Flächenanteile von Biodiversitätsmaßnahmen und semi-natürlichen Habitaten als Nahrungshabitat oder auch als zusätzliches Nisthabitat in einer intensiv genutzten Agrarlandschaft reagieren und ob es Schwellenwerte hinsichtlich der Effektivität zusätzlicher Maßnahmenfläche gibt. Die Agrarlandschaften werden sich auch hier ebenso in der Schlaggröße unterscheiden, um klein- und großräumige Landschaften zu repräsentieren. Anschließend soll ein Gradient abgebildet werden, der uns erlaubt, regionale Empfehlungen für die Anlage von Biodiversitätsmaßnahmen und weiteren Habitat aufwertenden Strukturen abzuleiten, die dann in die Erstellung von betriebsspezifischen Biodiversitätszielen einfließen können.

  

Frau Baden-Böhm, vielen Dank für das Gespräch!

 



Literaturverweise

 

Becher, M. A., Twiston‐Davies, G., Penny, T. D., Goulson, D., Rotheray, E. L., & Osborne, J. L. (2018). Bumble‐BEEHAVE: A systems model for exploring multifactorial causes of bumblebee decline at individual, colony, population and community level. Journal of Applied Ecology, 55(6), 2790-2801. https://doi.org/10.1111/1365-2664.13165.

 

Becher, M. A., Grimm, V., Knapp, J., Horn, J., Twiston-Davies, G., & Osborne, J. L. (2016). Beescout: A

model of bee scouting behaviour and a software tool for characterizing nectar/pollen landscapes for BEEHAVE. Ecological Modelling, 340, 126–133. doi:10.1016/j.ecolmodel. 2016.09.013.

 

Becher, M. A., Grimm, V., Thorbek, P., Horn, J., Kennedy, P. J., & Osborne, J. L. (2014). Beehave: A systems model of honeybee colony dynamics and foraging to explore multifactorial causes

of colony failure. The Journal of Applied Ecology, 51(2), 470–482. doi:10.1111/1365-2664.12222.