Ineke Joormann, Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen, sozioökonomische Begleitforschung von F.R.A.N.Z.:
„Die neue Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik hat für Landwirtinnen und Landwirte viele Änderungen mit sich gebracht. Die größten Veränderungen ergeben für viele vor allem durch die neue Konditionalität, hierbei insbesondere die 4 % verpflichtende Brache (GLÖZ-Standard 8). Wie groß die Auswirkungen auf die einzelnen Betriebe sind, unterscheidet sich dabei stark. Dies erleben unsere F.R.A.N.Z.-Betriebe, es ist aber auch Ergebnis einer qualitativen Befragung, die wir im Frühjahr 2023 bei verschiedenen Betrieben in den Regionen der F.R.A.N.Z.-Betriebe durchgeführt haben. Besonders betroffen sind viehhaltende Betriebe, die die Fläche z. B. als Futter- oder Düngefläche brauchen, oder Betriebe in Regionen mit hohen Pachtpreisen oder Flächenknappheit. Viele dieser Betriebe, für die die Bereitstellung von 4 % der Ackerfläche als nichtproduktive Fläche eine größere Veränderung bedeuten würde, nutzten in 2023 die Ausnahmeregelung die 4 % Brache durch den Anbau von Getreide zu erfüllen. Dies war für die F.R.A.N.Z.-Betriebe teilweise nicht möglich (vgl. Aussage von Charlotte Peitz). In der Befragung geben einige Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter an, dass die Veränderung in 2024 (ohne Ausnahmeregel) so einschneidend wäre, dass sie auf die Direktzahlungen verzichten und keinen Agrarantrag mehr stellen würden. Insgesamt überwiegt bei den Überlegungen zur Erfüllung des GLÖZ-Standards 8 die Motivation, möglichst wenig Veränderungen auf der Fläche vorzunehmen. Um die Auflagen zu erfüllen, werden Flächen genutzt, die bisher nicht der landwirtschaftlichen Produktion dienten, sondern z. B. im Rahmen verschiedener Förderprogramme für biodiversitätsfördernde Maßnahmen genutzt wurden. Hierbei werden von den befragten Betrieben durchaus Bedenken geäußert, dass diese Flächengestaltung weniger förderlich für die Biodiversität sein wird, als dies in anderen Programmen der Fall wäre.
Eine weitere wesentliche Veränderung ist das neue Instrument der Ökoregelungen. Für viele der befragten Betriebe nehmen diese einen geringen Stellenwert ein. Teilweise sind den Befragten die Fördermöglichkeiten im Rahmen der Ökoregelungen nicht bekannt. Wenn eine Teilnahme geplant ist, wird oft selbst von einem Mitnahmeeffekt gesprochen. Dies betrifft insbesondere die Ökoregelungen 1 („Flächen zur Verbesserung der Biodiversität“) und 5 („Kennarten im Dauergrünland“). Ansonsten wird häufig angegeben, dass das Förderangebot für den eigenen Betrieb nicht passend sei. Sie wollen sich zunächst mit den verpflichtenden Auflagen und bereits bestehenden Maßnahmen beschäftigen und „dann mal weitersehen“. Auch viele der F.R.A.N.Z.-Landwirte haben durch die Teilnahme an Landesprogrammen (teilweise auch durch fortbestehende Altverträge) und die Umsetzung der Maßnahmen im Projekt bereits einen hohen Anteil ihrer Flächen für die Umsetzung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen vorgesehen und planen daher keine Teilnahme an einer der Ökoregelungen.
Insgesamt wird die späte Bereitstellung der Informationen stark kritisiert. Zum einen wird bemängelt, dass die Informationen ohnehin zu spät kamen, um in die Anbauplanung einfließen zu können. Zum anderen gab es auch im Frühjahr 2023 noch Anpassungen sowohl im Angebot der Ökoregelungen als auch bezüglich der Konditionalität. Die mangelnde Planungssicherheit sorgt bei vielen für Unsicherheit und Skepsis gegenüber den Veränderungen.“
Charlotte Peitz, Thünen-Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen, Maßnahmenkoordinatorin von F.R.A.N.Z.:
„Insbesondere die GLÖZ 8 der neuen GAP hatte Auswirkungen auf die Umsetzung unserer F.R.A.N.Z.-Maßnahmen in 2023. Viele unserer Betriebe rechnen ihre Insektenwälle, Brachen und Blühstreifen in die verpflichtende 4 % Stilllegung ein. Die Zeiträume, in denen diese stillgelegten Flächen nicht befahren und bearbeitet werden dürfen, sind in den GLÖZ-Richtlinien jedoch deutlich länger als in den Vorgaben des Projektes. Schröpfschnitte, um gegen bestimmte unerwünschte Arten vorzugehen, sind zum passenden Zeitpunkt häufig nicht möglich. Diese Einschränkungen haben konkret zu weniger Neuanlagen von Blühstreifen geführt, weil gerade im ersten Jahr ein Entwicklungsschnitt hilfreich für eine gute Etablierung sein kann, dieser im Rahmen der GLÖZ 8 aber nicht mehr möglich ist.
Eine besondere Herausforderung war darüber hinaus, dass unsere Betriebe nur zu einem geringeren Grad von der Ausnahmeregelung bezüglich GLÖZ 8 Gebrauch machen konnten. Bereits bestehende Brachen mussten weiter als solche angerechnet werden. Betriebe, die also schon vor 2023 Brachen für die Biodiversität angelegt hatten, wie unsere F.R.A.N.Z.-Betriebe, waren (je nach deren Kodierung) benachteiligt. Da die Flächen nicht doppelt gefördert werden können, bedeutete das Nicht-Nutzen-Können der Ausnahmenregelung für unsere Betriebe also, dass sie teilweise vierstellige Summen weniger für ihre Blühstreifen und Brachen ausbezahlt bekamen.“
Holger Pfeffer, Deutscher Verband für Landschaftspflege Brandenburg, Betriebsberater des F.R.A.N.Z.-Betriebes im Havelland (Brandenburg):
„Die betriebliche Umsetzung von GAP-Reformen ist immer schwierig. Das bis zum Jahr 2022 gut eingefahrene System der F.R.A.N.Z.-Maßnahmen ergänzt durch staatliche Argarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) musste für das Jahr 2023/2024 neu justiert werden. Leider überwiegt dabei der bürokratische Mehraufwand deutlich. Neue naturschutzfachliche Aspekte werden zwar durch neue Maßnahmen berücksichtigt, treten aber in der Praxis oft in den Hintergrund.
Leider setzt die aktuelle GAP für den konventionellen Ackerbau in Brandenburg wieder mal kaum neue Akzente. Aus Brandenburger Sicht haben sich hier lediglich die Finanzierungsinstrumente geändert. Der Fokus liegt weiterhin eindeutig auf der Förderung des Ökolandbaus sowie auf der Grünlandextensivierung. Der weitaus größte Teil der landwirtschaftlichen Fläche Brandenburgs wird jedoch konventionell ackerbaulich genutzt. Hier muss die GAP unbedingt neue Anreize für den Naturschutz schaffen. Wenn eine ausreichende Förderung von Ackermaßnahmen, die nicht nur kleinflächige Brachen und Blühstreifen begünstigt, über die zweite Säule nicht möglich ist, müssen hier weitere Impulse aus der ersten Säule kommen. Ein breites Spektrum langjährig praxiserprobter, naturschutzfachlich wirksamer sowie ökonomisch vertretbarer Maßnahmen für konventionell bewirtschaftete Ackerflächen wurden dazu im F.R.A.N.Z.-Projekt bereits entwickelt.“
Gernot Lindemann-Berk, F.R.A.N.Z.-Betriebsleiter in der Kölner Bucht (Nordrhein-Westfalen), setzt auf seinem Ackerbaubetrieb 9,5 ha Blühstreifen und 8,5 ha blühende Vorgewende sowie die F.R.A.N.Z.-Maßnahmen Feldlerchenfenster, Extensivgetreide (mit Untersaat) und das Mais-Stangenbohnen-Gemenge um:
„Mit der neuen Förderung der GAP werden alle Blühstreifen auf unserem Betrieb als Brache in die 4 % Stilllegung gezählt. Das führt für unseren Betrieb zu erheblichen finanziellen Einbußen im fünfstelligen Bereich, da eine Doppelförderung aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Das ist bitter. Es kann nun höchstens noch für die ausgeführte Arbeit auf den jeweiligen Flächen Förderung beantrag werden. In diesem Jahr gab es für manche Betriebe zum Glück noch Spielraum wegen der Ausnahmeregelung und ein Weizenschlag mit Wintergetreide konnte als Brachfläche angemeldet werden. Für mich gab es da allerdings keinen Spielraum, weil wir bereits Blühstreifen als Altbrache angemeldet hatten. Außerdem setzen uns die Fristen für Einsaaten unter Druck, denn bis zum 15. November musste ich alles an Getreide gesät haben. Ackerbau lässt sich aber nun mal nicht an kalendarischen Daten festmachen, man muss nach der Witterung schauen. Im Allgemeinen lässt sich leider sagen, dass viele Betriebe, die Vertragsnaturschutz machen oder Interesse daran hätten etwas für die Artenvielfalt zu tun, nun die Motivation verlieren. Das liegt glaube ich daran, dass der Zwang zur 4 % Stilllegung viel kaputt gemacht hat. Viele Landwirte säen jetzt einfach irgendetwas ein, anstatt eine vernünftige Blühmischung für Insekten, wie unsere Regio-Saatgutmischung, zu nehmen.
Die Plötzlichkeit der GAP-Änderungen war eine große Herausforderung und wir suchen gerade noch nach einem Weg, wie wir mehr Vergütung für biodiversitätsfördernde Flächen bekommen können. Schaut man sich die Ökoregelungen an, zumindest in Nordrhein-Westfalen, dann sind diese alle sehr auf Grünlandbetriebe bezogen. Für Ackerbaubetriebe gibt es neben der Einsaat von Blühstreifen kaum gute Möglichkeiten. Das schafft insgesamt wenig Reize über die 4 % Stilllegung hinauszugehen. Daher wünsche ich mir eine umfassendere Ausweitung der Ökoregelungen für Ackerbaubetriebe um zum Beispiel Extensivgetreide. Außerdem fände ich es sehr sinnvoll, wenn vor zukünftigen Änderungen der GAP viel intensiver mit der Praxis aus der Landwirtschaft oder auch Projekten wie F.R.A.N.Z. Rücksprache gehalten würde. Und drittens sollte es viel weniger Bürokratie rund um die GAP geben: Bei der Anmeldung einer Maßnahme für die Ökoregelungen muss ich jeden Arbeitsgang in einer App dokumentieren. Das bedeutet für mich sehr hohen Aufwand und die Landwirtschaft ist eh schon mit viel Bürokratie verbunden - wir haben mehr als genug zu tun.“
Die Meinung von Gernot Lindemann-Berk ist kein Einzelfall im F.R.A.N.Z.-Projekt. Auch der Betriebsleiter, Peter Kaim, teilt diese Aussage. Er bewirtschaftet einen Betrieb im brandenburgischen Havelland mit Milchviehhaltung, Ackerbau und hohem Grünlandanteil.
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